Wer lesen kann, ist klar im Vorteil

2014, Sommerloch. Integration ist dieser Tage ein beliebtes Thema. Grade erst hat Nicolaus Fest seine Stellung als stellvertretender Chefredakteur der BamS missbraucht, um pauschal gegen den Islam zu hetzen und sein Arbeitgeber hat sich schnell vom Wortlaut distanziert, sei aber im Grunde froh, dass endlich mal jemand eine Diskussion zu dem Thema anstößt, da kommt eine kleinbürgerliche Posse auf uns zu, die an Absurdität kaum noch zu überbieten ist.
Mithat Gedik ist Muslim. Und Schützenkönig. Doch das geht gar nicht, sagt der
Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften. Und zwar, weil er kein Christ ist.

Sehen wir einfach mal davon ab, dass sich mir nicht sofort erschließt, wie es eine Person zu jemand Besonderem macht, wenn sie so lange auf einen Holzvogel schießt, bis dieser herunterfällt. Sehen wir des Weiteren mal davon ab, dass ich nicht nachvollziehen kann, warum es Menschen gibt, die das für erstrebenswert halten. Herr Gedik, in Deutschland geborener Muslim, jedenfalls hält es offensichtlich für erstrebenswert und deshalb hielt er drauf und gewann. Kimme, Korn, König.

Jeder, der schon mal in einem Dorf war weiß, was jetzt passiert. Der Abschuss des wehrlosen, künstlichen Federviehs wird feuchtfröhlich zelebriert, die Dorfjugend betrinkt sich mehr oder weniger öffentlich, das "Volk" unseres spießbürgerlichen König Artus tut es ihnen gleich, einige fallen irgendwann stark alkoholisiert über den Autoscooter her, andere über die Nachbarin oder den Nachbarn. Hat man als König seinen Rausch ausgeschlafen hat man dann gesellschaftliche Termine wahrzunehmen, wie zum Beispiel andere Schützenfeste vom Dorffest nebenan über das Bezirks- bis zum Bundesschützenfest. There´s always a bigger fish und der Genpool braucht schließlich ständig frisches Material.

Herrn Gedik bleiben diese Mühen wohl erspart, denn der Dachverband BHDS hat seine Bruderschaft dezent darauf hingewiesen, dass ein Muslim als König gar nicht möglich sei, weil in der Satzung der Bruderschaft stehe, dass ebendiese "eine Vereinigung von christlichen Menschen" sei. Die nun folgenden Forderungen und Lösungsansätze sind, wie nicht anders erwartet, mehr als absurd. Die Absetzung des Königs ist noch eine der weniger originellen, ich präferiere den angeblich vorgebrachten und bestimmt gut gemeinten Rat an Herrn Gedik, doch einfach zu konvertieren, um das Problem zu lösen. In etwa wie man einem Mann eine Geschlechtsumwandlung empfehlen könnte, wenn das Herrenklo kaputt ist. Eine glatte 137 auf einer bei 10 begrenzten Dummheitsskala.

Wir sind in Deutschland. Jeder Bundesverband hat einen Sprecher, der Sachverhalte analysiert und in der Öffentlichkeit als Sprachroh des Verbands auftritt. Das sind meistens Leute von zumindest durchschnittlicher Eloquenz und Intelligenz. Nun, der BHDS muss sich mit Rolf Nieborg begnügen, ansonsten bestimmt ein grundsympathischer Typ.

Herr Nieborg wird in der Presse mit einigen bemerkenswerten Aussprüchen zitiert. Zum Beispiel

Es hat ihn wohl niemand nach seiner Konfession gefragt, weil er so gut integriert ist.
Ja, Herr Nieborg. Entweder deswegen, oder weil die Konfession einfach kein Schwein interessiert hat. Für mich klingt das zudem nach "Der Ausländer hat sich so deutsch verhalten, man hat ihn gar nicht erkannt" oder "Für eine Frau bist du ganz schön klug", aber vielleicht bin ich da auch etwas zu kritisch.

Der Sprecher des BHDS jedenfalls steht auf dem Standpunkt, dass klar im Vorteil sei, wer lesen könne und wendet, mit Hinweis auf die oben schon erwähnte Satzung, ein, man melde sich ja auch nicht in einem Fußballverein an und sage dann: `Wir spielen jetzt Handball`. Ich habe mich wirklich bemüht, diesen Vergleich als nicht hinkend zu sehen, aber solange Herr Gedik nicht beispielsweise verlangt, künftig den Vogel mit Dosen runterzuholen, wie an der Wurfbude nebenan, kann ich keinen Bezug zum vorliegenden Sachverhalt erkennen.

Aber in einem muss man Herrn Nieborg wohl Recht geben: Wer lesen kann, ist tatsächlich klar im Vorteil. In seinem Fall würde ich zum Grundgesetz raten und hierbei insbesondere Artikel 3 empfehlen, denn da heißt es:

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
So weit liegen Theorie und Praxis manchmal auseinander. In Deutschland. Wo ein Muslim kein Schützenkönig sein darf. Höchstens Schützenkalif.

Herzlichst, Ihr Rock Galore

Kommentare

  1. Sorry - das ist jetzt nur ein Test, anschließend bitte löschen.
    (aber irgend etwas hakt gerade - oder ich bin zu bl...)

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