Ein paar Gedanken zum Urheberrecht

Der eine oder andere derjenigen, die sich ab und zu auf diesen dieses diese Blog verirren weiß vielleicht, dass ich mich ab und zu und hier auch bereits hobbyjuristisch mit dem Thema Urheberrecht beschäftigt habe. Ich habe damals viel gelesen und auch viel gelernt und ich muss gestehen, dass sich auch meine Sichtweise auf viele Dinge seitdem ein wenig differenziert hat. In den letzten Tagen wird das Thema grade wieder groß von der gelangweilten Netzgemeinde aufgebauscht, weil Jens B.*, Fernsehmoderator, ein urheberrechtlich geschütztes Bild widerrechtlich getwittert und damit die Armee der Mittelfinger von beiden Seiten der Argumentationskette heraufbeschworen hat. Grund genug, meinen Standpunkt dazu upzudaten und keine Sorge, ich habe nicht vor, auf den Fall konkret einzugehen.

*Name geändert

Ich bin prinzipiell ein Freund des Urheberrechts, wie man an den oben verlinkten Posts erkennen kann, aber man kann seine Augen auch nicht einfach davor verschließen, dass es ein altes Gesetz ist, das auf neue Strukturen gestülpt wurde und einfach hier und da nicht passt. Ein Maßanzug, mit nicht genau geeichten Instrumenten vermessen.

In den letzten Tagen habe ich mich in meiner Timeline umgesehen und mal die Posts einiger Leute durchsucht, die sich so vehement über Herrn B. beschweren und es ist erstaunlich, wie wenig tief man graben muss, um die Bigotterie in der ganzen Aufregung zu erkennen. Wir fotografieren wildfremde Leute in der Bahn und machen sie in aller Öffentlichkeit lächerlich. Wir machen Screenshots aus Filmen und Serien, die uns nicht gehören, und die wir vorher in vielen Fällen einfach heruntergeladen haben, und machen daraus Memes und posten sie. An jedem erdenklichen Champions League-Spieltag geistern tausendfach "Ich suche einen Stream"-Posts durch die Netzwerke. All das ist Urheberrecht, bzw. Lizenzrecht, und all das ist illegal.

Nehmen wir mich. Nach meiner Exkursion letztes Jahr habe ich mich weiter damit beschäftigt und halte mich inzwischen aus "Tweetklau"-Diskussionen weitgehend raus, weil mir das Glashaus einfach zu groß ist. Welches Recht habe ich, mich über andere aufzuregen, wenn man solche

oder solche


Bilder in meinem Stream findet? Bei keinem davon habe ich die Erlaubnis des Urhebers eingeholt und die Quelle genannt, wie ich es eigentlich müsste.

Der geschätzte Twitterkollege @moltroff führte vor Kurzem einen, in der Twitterblase, vielbeachteten Kampf gegen die Made My Day GmbH, die ungefragt und creditlos Tweets auf Facebook repostete. Dieser Kampf war immerhin teilerfolgreich und ich möchte betonen, dass ich dieses Beispiel nur heranziehe, weil es so viel Staub aufgewirbelt hat, nicht weil es Bezug zum in der Einleitung genannten Fall hätte. Ich möchte @moltroff zudem in keiner Weise persönlich angehen, er ist nur ein Exempel. Jedenfalls habe ich mich gefragt, was wohl zum Beispiel der Fotograf dieses Fotos
zu seinem Engagement gegen die Made My Day GmbH gesagt hätte. Das Foto zeigt Klaus Schlappner, stammt vermutlich aus der Mitte der 80er Jahre, wurde von einem Fotografen gemacht und in einer Zeitung veröffentlicht. Eigentlich ziemlich genau so, wie im Falle von Herrn B. weiter oben. Ich wiederhole das nochmal: Nichts gegen @moltroff! Ich habe ihn ausgewählt, weil die Made My Day-Sache viel Aufmerksamkeit erregt hat. Ich bin mir sicher, dass sich bei 90% meiner Timeline solche Bilder finden lassen, ich habe bei fast jedem was gefunden.

Damit sind wir dann auch beim eigentlichen Problem angekommen. Das Urheberrecht existiert, wird aber von kaum einem Netzbewohner auch tatsächlich praktiziert. Wieviel ist so eine Rechtssprechung eigentlich wert und müsste sie nicht dringend erneuert werden? Praktikabler gemacht werden? Auch um Menschen wie die Fotografen aus der schmuddeligen Abmahnecke herauszuholen?

Es gibt natürlich Leute die sagen, dass es ja wohl ein Unterschied ist, ob Herr B. ein Bild "klaut" oder ein vollständig privater Account. Moralisch sicher richtig, aber das Urheberrecht macht da keinen Unterschied, was ebenfalls ein Teil des Problems ist, weil nachweislich auch Privatpersonen mit kleinen Accounts in gleicher Höhe abgemahnt wurden. Der einzige Unterschied ist rechtlich, dass man den Abgemahnten vorwerfen kann, dass sie so dämlich waren und es unter ihrem echten Namen getan haben. Zudem geht es im vorliegenden Fall um eine Reply an Frau Sibylle Berg. Wir alten Twitterhasen wissen, wie Replys funktionieren und dass sie nur von der Schnittmenge beider Accounts gesehen werden und da ist ein werblicher Charakter des Tweets zumindest mal in Frage zu stellen, aber so konkret wollte ich hier ja eigentlich gar nicht auf den Fall eingehen.

Das Urheberrecht stammt aus einer Zeit, als das publizieren Zeitungen vorbehalten war. Heutzutage kann jeder publizieren und sehr viele Menschen nutzen diese Möglichkeit auch. Bei Twitter, in Blogs, bei Facebook, Instagram, tumblr, die Liste ist lang. Das wirft Fragen auf. Fragen, die die Rechtsprechung bislang nicht beantwortet hat und die der Abmahnindustrie Tür und Tor öffnen. Zum Beispiel die, ob ein privater Tweet überhaupt eine Veröffentlichung im Sinne des Rechts darstellt. Eine Diskussion um das und eine Anpassung des Urheberrechts an diese drastisch veränderten Umstände ist meiner Meinung nach einfach bitter nötig.

Man darf in Frage stellen, warum ein Foto an ein Magazin verkauft werden und auch über 20 Jahre danach noch für jede Nutzung gezahlt werden muss. Man stelle sich vor, das Möbelhaus mit dem roten Stuhl würde uns nicht nur Sessel verkaufen, sondern auch jedem unserer Platz nehmenden Gäste eine Lizenzrechnung schicken. Oder gleich abmahnen. Ja, ja, ich weiß... polemisch... der Vergleich hinkt wie ein Pirat mit Holzbein... sogar wie einer, der sich kein Holzbein leisten kann... verzeihen Sie mir das bisschen Provokation.

Zweifelsfrei ist es Unrecht, etwas zu nehmen, das einem nicht gehört. Daran glaube ich nach wie vor. Das ändert aber nichts daran, dass es fast jeder tut und dass das Urheberrecht nicht mal ansatzweise zeitgemäß und weiterhin undurchsichtig ist und die vielen Streitigkeiten, die es grade auf Twitter immer wieder darüber gibt, belegen das eigentlich. Zudem sollten wir uns immer, und gerade in Urheberrechtsfragen, bewusst machen, dass bei den meisten Menschen 3 Finger auf sie selbst deuten, wenn sie mit dem Finger auf jemand anderen zeigen und so manchem würde es gut tun, den eigenen Standpunkt ab und zu auf den Prüfstand zu stellen. Wer niemals das Star Wars Kid repostet hat, der werfe die erste Abmahnung. Just my two cents.

Herzlichst, Ihr Rock Galore

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